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Sau und deutsche Eiche

ein Versuch einer skizzenhaften Gegenüberstellung von Schweine- und Eichenethik

PD Dr. oink Reinhard B. M. R. Haxe


Hin und wieder kommt es vor, dass Personen im Alltag aneinandergeraten, besonders in virtuellen Realitäten, und diskurstheoretisch zu zwei agonalen Gesprächsparteien werden. Grundsätzlich gibt es dann zwei mögliche Schlussszenarien des erfolgenden Streitgesprächs. Entweder wird nonchalant zum argumentum hitleris gegriffen oder man bedient sich des Sprichwortes „Was kümmert es die deutsche Eiche, wenn sich die Sau an ihr reibt?“. Beide Gesprächsschlusspunkte sind im Wesentlichen im deutschen Sprachraum endemisch und finden in anderen Ländern kaum eine adäquate Entsprechung. Diese Abhandlung ist dem Sprichwort gewidmet.
Die deutsche Eiche als Symbol der Stärke und Beständigkeit wird uns als Personifizierung gewahr. Sie stört sich nicht, wenn sich die Sau an ihr reibt. Die Sau wiederum als Symbol des angeblich Ungepflegten, Schmutzigen und Stinkenden tritt als Antagonistin zur Eiche auf. Sau und Eiche geraten einander, doch der Eiche scheint es, so legt es das Sprichwort nahe, egal zu sein, dass die Aggressorin, also die Sau, ihrem tadelnswerten Verhalten nachgeht. Unter Berücksichtigung dieses propositionalen Gehaltes des Sprichwortes wird leicht verständlich, wieso das Sprichwort so rege als Diskursabbruchsmittel instrumentalisiert wird: Wer keine Argumente mehr hat, versucht sich zumindest einen moralischen Sieg zu verschaffen, indem er die Dichotomie von Sau und Eiche einführt, sich als der Eiche zugehörig zeigt, um damit der gegnerischen Diskussionspartei einen niederen moralischen Rang zuzuschreiben.
Es scheint aber, dass hier ein großer Irrtum vorliegt. Betrachten wir die Eiche. Sie ist an ihrem Ort gebunden, an dem sie einst von einer kleinen Eichel zu einem ansehnlichen Baum heranwuchs. Sie kann sich nicht bewegen und ist ewig an einem Ort gebunden. Der Eiche ist das Prinzip der absoluten Passivität immanent. Diese Tatsache wird umso deutlicher, vergegenwärtigt man sich, wie die Eiche gänzlich von äußeren Umständen, sogenannten Umwelteinflüssen, abhängig ist, um fortbestehen zu können. Die Sau dagegen, die der menschlichen Intelligenz, wie wir inzwischen wissen, in Nichts nachsteht und sie nur allzu oft sogar übertrifft, ist an keinen Ort gebunden. Als durchaus sehr reinlich lebendes Säugetier, das es kaum zu einer Geruchsbildung wie der eines nassen Hundes jemals bringen kann, kann sie sich bestens unterschiedlichen Lebensbedingungen anpassen, verfügt über ein hochentwickeltes Riechorgan, um sich beispielswiese Nahrung suchen zu können, und vermag sich mit Artgenossen und anderen Tierarten höchst sozial zu arrangieren, ganz im Gegensatz zum Einzelgänger- und Eckenstehertum der Eiche. Der Sau wohnt alles in allem das Prinzip der Autonomie beziehungsweise der Aktivität inne.
Reibt sich die Sau an der Eiche, wühlt und gräbt an ihr oder verrichtet am Eichenstamm ihre Notdurft, dann agiert die Sau aus freien Stücken. Ob sie die Eiche wählt oder einen anderen Baum, liegt im freien Ermessen der Sau. Die Eiche hingegen erfüllt aufgrund ihrer Passivität gar nicht die Bedingungen für freies Handeln. Das heißt, anders als es bei der Benutzung des Sprichwortes immer fälschlicherweise angenommen wird, entscheidet die Eiche nicht, ob sie den Habitus der Sau erträgt oder nicht. Sie ist aufgrund ihrer Passivität dazu verdammt, alles über sich ergehen zu lassen. Sie kann gar nicht anders. Ihr fehlen gänzlich die Grundlagen dafür, sich für das Ertragen, Tolerieren und Hinnehmen zu entscheiden.
Wer also jenes Sprichwort nutzt, degradiert im Lichte jener aufgeführten Betrachtungsweise nicht die andere Diskurspartei auf einen unteren moralischen Rang, sondern sich selbst, ja mehr noch: Wer das Sprichwort nutzt, versteht sich im Grunde als etwas Passives, als etwas, das keine Bedingungen erfüllt, aktiv zu werden. Unterm Strich zeigt die Verwendung des Sprichwortes eine Kapitulation auf und der Tribut für den verlorenen Diskurs entrichtet man, indem man sich jenseits der Möglichkeiten vernünftigen Deliberieren, Argumentierens und rhetorischen Brillierens stellt. Um es salopp zu sagen: Man schießt sich selbst ins Knie, meint aber, der entstandene Schmerz sei ein Beweis eines moralischen Sieges. Währenddessen grunzt die Sau kraft ihrer innewohnenden Autonomie fröhlich weiter – ein Zustand, der für eine Eiche nicht denkbar ist.


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